Netzhaut- und Glaskörperchirurgie

Netzhaut- und Glaskörperchirurgie Die größten Fortschritte der Ophthalmochirurgie während der letzten 20 Jahre wurden sicherlich im Bereich der Netzhaut und Glaskörperchirurgie gemacht. Einfache Netzhautabhebungen, die am häufigsten bei kurzsichtigen Patienten vorkommen werden heute zu 95 % geheilt, wobei verschiedene Methoden wie etwa die episklerale Plombenchirurgie, eine intravitreale Gastamponade oder eine Glaskörperchirurgie zur Anwendung kommen.

Die Glaskörperchirurgie oder Pars plana Vitrektomie, die Anfang der 70er Jahre als experimentell galt (Machemer 70, Klöti 69) und nur in schwersten Fällen einer dichten Glaskörperblutung oder perforierenden Augenverletzung eingesetzt wurde ist heute eine etablierte, standardisierte Chirurgie. Sie gilt als eines der ersten endochirurgischen Verfahren überhaupt, wobei die Sicht in das Augeninnere über ein Linsensystem durch die Hornhaut gewährleistet wird. Der Durchmesser der seitlich in das Auge über die pars plana eingeführten Instrumente beträgt 1,0 - 0,5 mm.
Die Vitrektomie hat die Erblindungsrate bei diabetischen Augenkomplikationen rapid gesenkt und Rekonstruktionen des Augapfels nach schweren penetrierenden Augenverletzungen erst möglich gemacht. Waren früher 80% dieser Fälle verloren, sind es heute nur mehr etwa 20 %. Die sozioökonomische Bedeutung ist hier enorm, da die meisten Patienten mit schweren Augenverletzungen Männer im arbeitsfähigen- jüngeren und mittleren Lebensalter sind, ebenso stellen diabetische Augenkomplikationen die häufigste Gefäßerkrankung des mittleren Lebensalters dar.

Darüber hinaus sind wir mit kombinierten Verfahren der Netzhaut- und Glaskörperchirurgie auch in der Lage komplizierte Netzhautabhebungen in über 80% zu heilen. Als Glaskörpertamponade werden in den USA häufiger expandierende Gase intravitreal angewendet, in Europa hochgereinigtes Silikon. Mehrere multizentrische Studien haben ergeben, dass bei mittelschweren Fällen beide Tamponaden gleichwertig sind, bei sehr schweren Netzhauterkrankungen die Langzeittamponade mit Silikonöl aber bessere Resultate liefert.

Die Indikationen für eine Vitrektomie wurden im letzen Jahrzehnt enorm erweitert, besonders auf dem Gebiet der makulären (= makula lutea - gelber Fleck der Netzhaut) Chirurgie. So können etwa Makulaforamen, die zu 70% bei Frauen nach der Menopause entstehen und für die es früher keinerlei Therapie gab heute in mehr als 80 % verschlossen werden, was diesen Patientinnen wieder ein Lesesehen ermöglicht.

Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist derzeit die häufigste Ursache der legalen Erblindung (= 10 % Sehschärfe) in Industrieländern bei Menschen über dem 50. Lebensjahr. Sie tritt grob eingeteilt in 2 Formen auf, einer "trockenen" atrophen und "feuchten" exsudativ-neovaskulären. Über dem 70. Lebensjahr ist bei 20% der Bevölkerung eine Form der AMD vorhanden. Diese Patienten erblinden nicht völlig, erleben aber den Verlust des Sehens im Zentrum und bedeutende Einschnitte in Ihrer Lebensqualität (z. B. kein Lesen oder Fernsehen, kein Autofahren, Personen nicht erkennen, Essen schwierig etc.) Risikofaktoren für diese Erkrankung stellen neben dem Alter hohe Blutfettwerte, geringes Pigment, Nikotinabusus, Gefäßerkrankungen und ev. extreme Lichtbelastungen dar.

Primär wurden Laserchirurgien für die neovasculären Formen eingesetzt, seit 4 Jahren ist es die schonendere Photodynamische Therapie, eine Kombination von photosensiblem Farbstoff mit einer Laserbehandlung, mit deren Hilfe Gefäßneubildungen unter der Makula zumindest vorübergehend verschlossen werden können. Leider zeigen beide Methoden nur einen gering kleineren Sehverlust durch die Behandlung als es der natürliche Verlauf der Erkrankung darstellt.

Chirurgische Verfahren wie Rotationstechniken der Netzhaut, bei der die Netzhautmitte auf ein gesundes Pigmentepithel verschoben wird, und die Pigmentepithelzelltransplantation wurden und werden in klinischen Studien erprobt (Eckkart, 1999, Binder, 2002 - 2004). Sie ermöglichen bei einem Teil der Patienten auch eine Sehverbesserung, wobei die Komplikationen bei der Transplantation deutlich geringer sind als die der aufwendigen Rotation. Weitere Forschung und Verbesserungen auf diesem Gebiet sind jedoch notwendig. Bei ausgereifter Technik sind aber beide Verfahren durchaus auch für den Einsatz bei Patienten mit trockener Makuladegeneration denkbar, für die wir derzeit außer Vitamingaben keinerlei Therapie besitzen und die mit mehr als 70% die größte Gruppe der Patienten mit AMD repräsentieren.